Bamberg Fakes. Oder wie das heißt.
Das alte Jahr möchte ich mit einer guten Tat beschließen! Vielfach wurde der Themenvorschlag an mich herangetragen, dem ich nun kurz vor Jahresschluss gerne nachkomme. Irgendwo zwischen Bayerleinromantik und BILD, auf dem Schoß von Stieringer mit der Vertrauenswürdigkeit der Presseabteilung von Donald Trump: Die Überhöhung tut mir leid, aber ich muss Bamberg Facts zerlegen!
Es gibt zahlreiche Portale, Gruppen und Seiten auf verschiedenen Socialmedia-Plattformen, wo mal mehr, mal auch weniger gehaltvoll diskutiert und gepostet wird. Der Unterschied zwischen den einzelnen Communities ist nicht direkt erkennbar.
An diesen virtuellen Stammtischen trifft sich dann der gemeine Heimatstadtliebhaber und tauscht sich über hiesige Geschehnisse, aktuell oder historisch aus, oder macht Werbung fürs eigene, neue Fußnagelstudio hinten links in der Königstraße. Den Followern und Mitgliedern geht’s um Verbundenheit, Stalking, Sensationsgeilheit und Werbung, den Betreibern um Reichweite. Dazu braucht man Likes für die Seite und die dortigen Beiträge. Die meisten Likes bekommt im Regelfall, wer die verklärtesten Bambergfotos postet. HDR und ein paar nette Glitzerfilter aus der kostenlosen Smartphoneapp wirken hier meist Wunder. Über all diese Gruppen und Seiten wachen private Administratoren, die – so meine Mutmaßung – wohl im wahren Leben auch im gelben Sack von den Nachbarn wühlen, um dort verschmutzte Joghurtbecher auszusortieren und anzumahnen, farbig markierte Zettelchen mit Anweisungen im Treppenhaus aufhängen und wenig Spaß verstehen, wenn Leute wie ich die Wörter “Papier: Blaue Tonne!” ausgerechnet mit der Farbe Neongelb markieren. Zurück zu unseren Socialmediacommunities: Dort wird man zum erst verhassten, später blockierten Störenfried, wenn man mal ein spiegelverkehrtes Foto vom alten Rathaus postet, nur um allen Followern etwas unterhaltsame Abwechslung zu bescheren. Gewollt sind solche erfrischenden Unterschiede aber nicht.
In den letzten Monaten hat sich Bamberg Facts emporgelobt, ein Portal, deren Gründer ihr Domizil zufällig keine zehn Meter vom SPD-Fraktions-Stadtmarketingchefschreibtisch entfernt haben. Das kam dem heimlichen Weltrekordhalter der wildesten Orgien von Facebookfreundschaftsanfragen zur Ansammlung einer eigenen, großen Fangemeinde im Frühjahr letzten Jahres gerade recht, als sich Andi zur OB-Wahl positionierte. Eine Facebookseite mit fünfstelligen Followerzahlen im eigenen Dunstkreis, das ist kein Schaden für einen anstehenden Wahlkampf. Dass dieselbe Agentur kurz zuvor begonnen hat, die Socialmediakampagnen der Stadt zu organisieren, ist natürlich reiner Zufall. Genauso wie es Zufall war, dass unser digitales Stadtritterlogo statt rot-blau plötzlich – zeitlich zufällig fast synchron zum Wahlkampfauftakt – Andi-Orange angepinselt wurde. Aber anderes Thema.
Bei Bamberg Facts agierte man jedenfalls plötzlich ähnlich subtil mit dem digitalen Vorschlaghammer: Bamberg Facts berichtete ab dem Sommer überraschend exklusiv vom Wahlkampfauftakt der SPD, Bamberg Facts präsentierte Fakten zu den zurückliegenden, aktuellen und künftigen Erfolgen bis hin zur Heiligsprechung des Chefsachenchefs, Bamberg Facts entwickelte aber vor allem nach und nach eine bis heute anhaltende trumpeske Aversion gegen Bamberger “Mainstreammedien”, die immer dann reflexartig offensichtlich wurde, wenn irgendwo leise Kritik an der Stadtspitze aufzuflammen drohte. Die Macher hinter dem Faktenportal reagierten auf kritische Stimmen irgendwo im Netz immer mehr so empfindlich wie ein Kasten Rauchbier nach zwei Wochen in der prallen Sommersonne. Ob es ihnen selbst auffiel, dass die Verquickung zwischen SPD-Wahlkampfteam, Stadtmarketing, Socialmedia-Agentur der Stadt Bamberg und Bamberg Facts, ich nenne das Konglomerat liebevoll “GangBAM”, angreifbar, leicht durchschaubar, vielleicht presserechtlich sogar bedenklich sein könnte? Die Socialmedia-Agentur der Stadt macht Socialmediasonnenscheinstimmung für ihren Auftraggeber über eines ihrer Projekte. Hat das kein Geschmäckle? Wurden deshalb bereits im Sommer 2019 zum ersten Mal die Namen im Impressum auf einen gesichtslosen Strohmann irgendwo in Schwaben geändert, der auf den ersten Blick nix mehr mit der Agentur zu tun hatte?
Diese erste Änderung der inhaltlich Verantwortlichen war aber nur der Auftakt für ein Impressumspingpong, dass sich wohl an Peinlichkeit und Durchschaubarkeit kaum noch überbieten lässt. Innerhalb weniger Stunden wechselten die Verantwortlichen von Bamberg Facts zwischen Stadtmarkeingvorstandsmitgliedern, der Agentur, dem Stadtmarketingchef himself, identitätslosem “Bamberg Facts” bis hin zu journalistisch überforderten, aber treuen Gefolgsleuten aus dem Dunstkreis der Königstraße. “SPD-Fraktion” hat in der Wechselorgie zugegebenermaßen noch gefehlt. Für den geneigten Beobachter dürfte von Beginn an klar gewesen sein, auf welche Seite sich Bamberg Facts beim Zulagenskandal schlagen wird. Auf eine Meldung zu Überstundenpauschalen der Lokalzeitung folgte bei Bamberg Facts ein gefakte Bankrotterklärung zum Anzeigenblatt der MGO, eine Abhandlung (samt Kommafehler) über guten Journalismus oder ein Abgesang auf hiesige Lokalzeitungen wegen sinkender Abonnentenzahlen. Leider fiel es zwei, drei Followern auf, die sich anmaßten, auf journalistische Unzulänglichkeiten, inhaltliche Schwächen und Rechtschreibdefizite hinzuweisen, so dass während der Weihnachtsfeiertage reihenweise Kritiker sicherheitshalber blockiert wurden. “Bitte hier nur liken!” ist die Botschaft im Impressum des Portals speziell für Lemminge.
Wie der Name schon sagt, soll es sich hier um ein Portal handeln, dass sich Fakten verschrieben hat. Was auf den ersten Blick löblich und für ein vermeintliches Nachrichtenportal erstmal selbstverständlich klingt, erweckte in mir bei so viel übertriebenem Begriffsfokus auf “Fakten” von Anfang an einen gewissen, natürlichen Zweifel.
Man darf die Bedeutung des Portals nicht überbewerten. Die Likes – selbst für das romantischste Bild vom Alten Rathaus bei Sonnenuntergang oder ein Video über die sieben schönsten Körperteile des Oberbürgermeisters – sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Um noch mal richtig Likes und damit Aufschwung zu bekommen, müsste man schon Klausis Stadtmarketinghund vor dem Rathaus positionieren und die junge Babykatze vom Andi drauf hocken.
Aber dann wäre die Verquickung, der sogenannte GangBAM, vielleicht doch zu auffällig.
mins
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