Herrnlebens Überstunde. Die letzte.

Alles gesagt, alles getan. Alle Vorwürfe haltlos! Es ist hoffnungslos. Ich (Sünder!) ertränk mich nun im Weihwasserbecken des Doms und hör auf zu schreiben. Oder umgekehrt.

Wisst ihr, wenn man abends was schreibt, und besonders geladen ist, ist es oft wichtig, dass man noch einmal liegen lässt und eine Nacht drüber schläft.

Gestern war der mit Spannung erwartete Tag, der erste, größere, offizielle Termin der Ratherr*innenspitze samt OB seit Bekanntwerden der Zulagen. Vor dem Ältestenrat (huhuhuuuu!) wollte der Chef der Verwaltung erste Erkenntnisse präsentieren. Der Ältestenrat. Der Rat der Besten, der Erfahrensten, der Schlauesten und Weltoffensten aller Stadträte sollte zusammenkommen, um sich ein erstes, eigenes Urteil bilden zu können und das kommende Gestolper abzusegnen. Ich war so gespannt. Was hatte ich für einen Aufwand betrieben, um Wanzen anzubringen, Stadträte mit Keksen zu bestechen, um gewappnet und am Ende gut informiert zu sein, für den großen Paukenschlag des gestrigen Tages.

Und was passiert? Nix. Eine reine Zusammenfassung all dessen, was seit Wochen klar schien. Wann nun der Rechnungsprüfungsausschuss tagt. Wie oft. Wie lang. “Hää?! Sooochs nuch amoll, ich konn net so schnell schreim”, dürfte der meistgesagte Satz des gestrigen Spätnachmittags sein. Ich hatte ein wenig Hoffnung, dass das eine oder andere Hörgerät raucht. Und nun? “Sachlich” ging es zu, heißt es. Man könnte aber auch sagen: Von außen betrachtet erweckten die Mitglieder des Ältestenrats wohl den Anschein eines Ü90-Liederkranzes, dem man zum fünften Mal, diesmal nur noch etwas lauter, erklärt, wo am Wochenende die Kaffeefahrt genau hingeht.

Und lasst uns im Bild bleiben: Exakt so wie einen Haufen Senioren auf der dringenden Suche nach Wärmedecke und zwölfteiligem Kaffeeservice hat Andi sie nun auch allesamt über den Tisch gezogen mit der Raffinesse eines erfahrenen wie durchtriebenen Reiseleiters.

Wenige Stunden zuvor hatte das Wobla, das sich journalistisch offensichtlich nicht mal mehr von Bamberg Facts unter Druck setzen lässt, das erste, quasi exklusive Interview mit Andi veröffentlicht, das so Boulevardblätter wie SZ, BR oder FT dringend mal einem Faktencheck unterziehen sollten. Da klingt alles wundervoll. Genauso wie in der wenige Sekunden nach Ende der Sitzung in die Welt hinausgejubelten und wohl bereits seit Stunden fertigen Pressemitteilung der Stadt, die genau das Bild vermittelt, das schon immer gern vermittelt wurde. “Wasn?! Ist doch nix.”.

Und für alle, die es immer noch nicht verstanden hatten, dass alles bloß eine ganz, ganz gemeine Schmierenpressenummer ist, sendet Radio Bamberg – Sorry, Jungs, für mich wirkt es unglücklich – noch am selben Abend ein unkommentiertes Tränendrüseninterview mit Heinz Kuntke, der vier Minuten lang kaum etwas anderes macht, als den 64jährigen OB, seit fast 15 Jahren im Amt, das Selbstbewusstsein von zwei Wahlniederlagen im Kreuz, zu bemitleiden wie einen Schulbuben, der – natürlich total zu Unrecht, total unfair – eine schlechte Note in der Abfrage bekommen hat.
Als – wieder mal vor allem durch Bamberg Facts – gefeiertes Ergebnis kommt aus der Sitzung nur, dass man quasi gemeinsam den OB beauftragt hat, Strafantrag zu stellen gegen Unbekannt wegen der unbefugten Weitergabe des Berichts. Wuhu! Jetzt aber. Bevor der Ältestenrat geschaut hat, deren Fraktionen noch vor wenigen Tagen eine Strafanzeige belächelt haben, waren sie vor den roten Karren der Anzeige gespannt. Glückwunsch. Die SPD-Fraktion freut sich! Strafanträge gegen Whistleblower kann man sich im Alleingang nämlich auch nur erlauben, wenn man gar nix mehr an Wählergunst zu verlieren hat.

Fun fact: Der Paragraph, wegen dem nun Anzeige erstattet werden soll, ist wohl der selbe, wegen dem Andi grad von der Coburger Staatsanwaltschaft Post bekommen hatte.

Dann hat man sich noch kurz drüber gewundert, warum fast Mitte Januar immer noch nix vom Bericht in den Stadtratspostfächern zu sehen ist. “Jaaaaa! Datenschutz! Die betroffenen Mitarbeiter! Da müssen wir scho aweng schauen! – Und mit dem Wahlwerbebriefchen darf man es nicht vergleichen, denn was sind schon ein paar tausend Adressen von Menschen mit Migrationshintergrund gegen die Daten von ein paar privilegierten Rathauspremiums.”

Unter dem Deckmantel des Datenschutzes, den der OB nun nach seinem Selbstversuch im Wahlkampf als argumentative Allzweckwaffe für sich entdeckt hat, und einem geschwärzten Bericht ohne Initialen und Nummern und ohne weitere Infos für die Stadträte bekommt man hervorragend die Referatszugehörigkeit der allerbesten Mitarbeiter und die Schnittmenge zu den Eilverfügungen versteckelt. Deshalb müssen sich die Stadträte nun noch bis Ende des Monats gedulden, bis sie ein FSK-0-Exemplar des Berichts in eigenen Händen halten dürfen. Und ob sich künftig Ratsherr*innen:Damen noch trauen zu erzählen, ob die Canapés bei den Sitzungen hinter verschlossenen Türen mit Salami, Schinken oder Lachs belegt wurden, wird auch spannend zu beobachten sein.

Also ich als einer von 44 gewählten Volksvertretern…. Ich käm mir vor wie vorhin bereits benannter Schuljunge, der sich die BRAVO nun heimlich besorgen muss. Aber das werden sie schaffen. Oder auch nicht. Vielleicht halten sie sich auch lieber weiterhin die Augen und Ohren zu und lassen sich übers Busmikrofon auf ihrer Kaffeefahrt von Bamberg Facts vorlesen, was es neues gibt. Da klingt es nämlich immer so arg schön.

Und ich? Weiß nicht.

Vielleicht sollte ich doch regelmäßig weiterschreiben, nachdem man bei Bamberg Facts nun schon versucht, zwischen “richtigen” und “nicht so richtigen” Journalisten zu unterscheiden, für die eventuell das Zeugnisverweigerungsrecht nicht gilt.

PS.: Abends zu schreiben und dann noch mal drüber zu schlafen, damit man es am nächsten Morgen noch mal verschärfen kann, macht übrigens Sinn. Nur zu empfehlen!
Fortsetzung folgt. Ganz bestimmt.

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