Anzeige gegen den unbekannten Whistleblower

Das allseits bekannte und schrille “Sie haben Post!” dürfte die Mitglieder des Ältestenrats kurz aus ihrem Winterschlaf aufgeweckt haben. Wie aus Stadtratskreisen zu hören war, polterte eine – sagen wir – landesweite Rundfunk- und Fernsehanstalt mit einer Presseanfrage in den Posteingang.

Auslöser war die im Ältestenrat angestoßene Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Whistleblowing, also der Weitergabe des Berichts – sagen wir – zur fundierten und detaillierten Aufklärung und Aufarbeiten des Zulagenskandals durch die Presse und so manchen, etwas penetranten Kleinstadtkabarettisten. Das findet die Stadt natürlich doof. Und die im Bericht Genannten. Und der Datenschutzbeauftragte der Stadt Bamberg.

Dieser hatte im Vorfeld der Sitzung vergangene Woche eine Stellungnahme verfasst, die dem Ältestenrat wohl vorgelesen wurde. Ja, genauso wird es erzählt. “Der OB hats vorgelesen.” – Warum sie nicht als Tischvorlage zur Verfügung stand, darüber kann ich nur spekulieren, denn das Gremium heißt ja Ältestenrat, nicht Käfer- oder Bärengruppe. Aber wahrscheinlich sind sämtliche Kopierer im Rathaus sicherheitshalber durch den OB persönlich versiegelt worden.

Jedenfalls bemängelt der Datenschutzbeauftragte der Stadt drei Aspekte:
Dass da überhaupt identifizierbare Mitarbeiter im Bericht aufgeführt werden. Besser wäre es gewesen, der kommunale Prüfungsverband hätte da keine Initialen oder Tätigkeitsbeschreibungen bzw. halbe Karriereentwicklungen einzelner Mitarbeiter fein seziert niedergeschrieben. Ja. Wäre besser gewesen, auch für so manchen Entscheider am Maxplatz. Ohne Namen, ohne Identität wüssten wir nämlich nix von der Schnittmenge zu den Namen der Eilverfügungen und könnten auch keine Referatszuordnung vornehmen.

Es hat zumindest Unterhaltungswert, auf den Prüfungsverband als Schuldigen zu zeigen. Wenn das Finanzamt eine Firma auf links stülpt und der Bericht dann vom Firmenchef per eMail an die halbe Belegschaft verteilt wird, ist dann auch das Finanzamt verantwortlich?

Zweiter Punkt, und das ist eigentlich auch ein bisschen lustig, ist die Weitergabe des ungeschwärzten Berichts an die Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses. Er hätte geschwärzt werden müssen, stellt der Datenschutzbeauftragte fest. In fetter Schrift. Tja. Aber von wem? Die Schmach der Beantwortung dieser Frage lässt der Datenschutzbeauftragte aus Loyalität zu seinem Arbeitgeber lieber offen. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich aber, dass der Bericht nicht per Briefpost anonym, zwischen dem Wobla und dem neuesten Aldiprospekt an die Infothek kam, sondern – mehr oder weniger direkt – beim OB aufgeschlagen sein muss. So ein Bericht ist Chefsache. Das muss so Mitte, Ende August gewesen sein, da kannte sich unser OB – das muss man ihm zugutehalten – noch nicht so gut aus mit dem §353b StGB aus. Mal schauen, was der Landesdatenschutzbeauftragte zu unserem Datenschutzspezialisten im OB-Sessel sagt…

Dritter Punkt, den er natürlich anmahnen muss, ist die Weitergabe an die Presse. Da empfiehlt der Datenschutzbeauftragte der Stadt eine Strafverfolgung.

Und nun beginnen die Mutmaßungen. Manche Mitglieder des Ältestenrats, eher aus der Ecke der Opposition behaupten nun, der OB hätte gesagt, man “müsse” Anzeige erstatten und er hätte nur gefragt, ob jemand was dagegen hat. SPD-Chef Stieringer kontert, der OB hätte zweimal gefragt, ob man mit dem Vorschlag der Verwaltung einverstanden wäre. Keine Ahnung, wer die Wahrheit sagt. Aber weiß irgendjemand noch, wo der Vorschlag herkam, überhaupt Anzeige zu erstatten? Jetzt will’s halt keiner gewesen sein, weil dem Coolnessfaktor so eine Whistlebloweranzeige natürlich nicht so zuträglich ist.

Gekrönt wurde das ganze Spektakel noch durch die verschiedenen Verlautbarungen. Die städtische Pressestelle jodelte wenige Sekunden nach Ende der Sitzung bereits, dass der Oberbürgermeister beauftragt wurde (von wem: Keine Ahnung). Der FT hatte daran wohl berechtigte Zweifel und schrieb am nächsten Tag: “Einstimmig sollen sich die Teilnehmer dafür ausgesprochen haben, Anzeige gegen Unbekannt […] zu stellen.” – Bamberg Facts, bestens informiert durch ihren Ghostwriter, feierte mit den Worten “die Spitzen von CSU, Grünes Bamberg, SPD, BBB, BuB, Linke und Volt [haben] den Bamberger Oberbürgermeister Andreas Starke einstimmig beauftragt”, so dass nun wenigstens alle anderen Fraktionen ebenso doof dastehen wie die SPD.

Fun Fact: Der Ältestenrat kann nicht wirklich was beschließen oder beauftragen, da fehlt die Kompetenz. Aber das nur am Rande.

Wie es genau ablief, das werden wir wohl nimmer erfahren. Die Mitglieder des Ältestenrats haben sich nun wieder hingelegt.

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