Das Gespräch mit Andi
Sorry, dass ich mich ein paar Tage nicht gemeldet hab. Ich befinde mich im Endspurt meines Buchs, das – Wunder, oh Wunder – dann doch wieder mehr Arbeit macht, als ich es am Anfang wieder mal gemutmaßt hatte. Die nicht enden wollenden Diskussionen mit meiner Rechtsabteilung über die juristische Haltbarkeit von Formulierungen wie “Amphibienmichel” und “Nazimuschel” kosten Zeit. Sich mit der Stadt anlegen, die eh pleite ist, ist das eine, mit einem Industriellen, dem Geld aus den Ohren fließt, halt das andere.
Die Gerüchteküche war allerdings schon am Brodeln, nachdem es inzwischen die Runde übern Grünen Markt macht, dass mich unser Oberbürgermeister zum Gespräch ins Rathaus geladen hatte. Wurde dem Herrnleben ein Maulkorb verpasst? Eine Ehrung versprochen? Kulturhöhergruppierungen, Überstundenabgeltungen oder Prämien in Aussicht gestellt? Hauptsache Klappe! – Ne. – Man muss erstmal unserem Stadtoberhaupt zugutehalten, dass da einiges an Bier und/oder Wahnsinn dazugehört, sich mit mir unter vier Augen in einen Raum zu hocken. Keine Pressesprecherin am Start, kein Anwalt als Aufpasser, nur mit Maske gegen Coronaviren und als Pokerfacehilfsmittel, so saß er da, um mir Rede und Antwort zu stehen, da ich ja schon einige Fragen hatte.
Zugeben, viele Antworten kannte ich bereits aus der Presse und diversen anderen Verlautbarungen, die vielen Floskeln mag ich ihm nicht vorwerfen, die sind überlegt und klingen wohltemperiert. Im Detail werde ich mich schon auch noch beizeiten mit ein paar Erkenntnissen äußern.
Ein paar Punkte aus dem Gespräch mit unserem Oberbürgermeister habe ich mir aber bereits jetzt zu Herzen genommen. Während ich es als Vertrauensbeweis interpretiert habe, dass man mir den Bericht des BKPV heimlich des Nachts unters Kopfkissen geschoben hat, findet er das natürlich – auch nachvollziehbar – höchst verwerflich. Da kommen wir auf kein gemeinsames Seidla. Ebenso, dass es inzwischen kaum noch möglich ist, etwas hinter verschlossenen Türen zu ver- und behandeln. Wenn der FT (und der Herrnleben) fünf Minuten nach Ende jeder Sitzung weiß, wer wie oft aufs Klo gegangen ist, nervt das vor allem die, für die Transparenz bei Milchglas endet.
Deshalb will auch ich mich bessern, nicht mehr wie ein Stier vor der Tür am Sitzungssaal scharren oder als Wanze unterm Sitzungstisch kleben, und hab diesmal bereits im Vorfeld der morgigen Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses recherchiert, was wohl auf dem Tablett der zwar noch zu klärenden, aber bereits schöngeschwurbelten Fälle präsentiert werden würde. Wenn noch nix stattgefunden hat, kann es ja auch keinen Whistleblower geben. Stimmt doch, oder? – Also: Wir erinnern uns: Während im öffentlichen Rechnungsprüfungsausschuss noch von “alles supi” die Rede war, rudert man inzwischen lieber mal ein wenig zurück, spricht von plötzlich entdeckten, zusätzlichen Unsummen und von “Ja, hm. Äh, oh. Vielleicht, bisschen, müssten, schauen… fehlerhaften missverständlichkeit…öh… Fehlerchen!” – Uns war allen klar, dass die dicken Fische erst am Schluss präsentiert werden.
Unter anderem wird es morgen um einen Beamten gehen, der mit einer Art Wildcard ins Halbfinale der Aufklärung gehopst ist. Seine Initialen waren nicht Teil des BKPV-Berichts. Allerdings ist er eine Erklärung dafür, warum aus der halben Million inzwischen eine dreiviertel Million geworden ist, denn als der Herr (soviel darf man wohl sagen, ohne den Datenschutz in die Kniekehle zu treten) direkt aus dem Kranken- in Ruhestand versetzt wurde, türmten sich – so meine Quellen – auf seinem Überstundenkonto 4000 Überstunden.
Da er sie nicht mehr abfeiern konnte, wurden sie ausbezahlt. Da sie aber nie elektronisch erfasst und somit nur schwer nachprüfbar gewesen wären, einigte man sich darauf, nur einen Teil davon auszubezahlen. Angeblich nur läppische… hust… 80.. also… husthust… achttau… ähmmm… ja, verdammt! Achzigtausend Euro. Ob das zulässig ist? Schwer zu sagen, die Geister scheiden sich. Aber wenn ich “erkrankung ruhestand überstunden” in die Suchmaschine meiner Wahl eingebe, ist der erste Treffer: “Beamte haben keinen Anspruch auf Vergütung von Überstunden, die sie infolge einer dauerhaften Erkrankung und anschließender Pensionierung nicht mehr abbauen konnten.” – Erklärung morgen, dafür brauch ich keinen Whistleblower: “Irgendwas mit Rechtsauffassung.”
mins
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