Die Tabakscheune

Stadtpolitik, Presseamtsbürgerbeteiligungskultursprech und Konzeptlosigkeit am Beispiel der Tabakscheune
Es frohlockt aus dem Kulturreferat!
Wer sich fragt, wie Politik in der Stadt Bamberg funktioniert, wie Entscheidungen getroffen werden, um Jahre später andere Entscheidungen zu treffen, aber gleichzeitig sowohl die eine als auch die andere als die beste, schönste, tollste, als die herausragendste Premiumidee zu verkaufen, ohne dass überhaupt etwas passiert und ohne dass es die Schorschs, Lisbeths und Gundas am Grünen Markt, ohne dass es selbst ganz, ganz, ganz schlaue Stadträte checken, und wer wissen will, warum mir bei vielen Pressemitteilungen der Stadt inzwischen das Bier von vor drei Tagen sauer aufstößt, der muss nur den Sitzungsvortrag zum Marionettentheater lesen.
Die Obere Sandstraße 20 ist die neueste, tollste Idee für das bald heimatlo(o)se Marionettentheater Bamberg: Alle begeistert, alle angetan, die paar baulichen Bedenken: Kein Problem. Steht zumindest im Sitzungsvortrag, der klingt wie eine Laudatio auf die Ideengeberin. Die Figuren des Marionettentheaters sind es zwar wohl gewöhnt, ohne eigenen Willen an irgendwelchen Faden abzuhängen, trotzdem werden sie als weitere, freie Kulturinstitution in der Stadt nun – Glückwunsch! – zum Spielball der städtischen Pressearbeit.
Sorry, ich muss ausholen, aber ich versuch mich kurz zu fassen:
1996 kaufte die Stadt die Tabakscheune als Teil des Gebäudesensembles um das Raulinohaus. Ich kann es mangels mir zur Verfügung stehender Archive nicht bis zum St. Nimmerleinstag zurückvollziehen, aber wohl bereits seit 1992 (also kurz nachdem ich selbst – und ich hab inzwischen Falten – den Kindergarten St. Martin verlassen hatte) und auf alle Fälle noch bis Anfang 2009 wedelte man dem Kindergarten und seinem Träger seitens der Stadt mit der ganz, ganz sicheren (versprochen!!!) Option auf Umzug in die dortigen Gebäudlichkeiten vor der Nase herum. Das bekannte Würstchen an der Angel baumelte über ein Jahrzehnt vor der Nase des Trägers, bis Druck bzw. Schimmel in die temporären Kindergartencontainer kam und schnell ein Neubau hermusste. Lustige Anekdote am Rande: Das plötzliche Scheitern der Tabakscheunen-Kindergartenpläne und diesen Neubaudeal hinter verschlossenen Türen – alles aufgrund einer plötzlichen und überraschenden Kostensteigerung für den Umbau – erklärte uns damals niemand geringeres als Pressesprecherin Ulrike Siebenhaar, heute zuständig für wohltemperierte Erklärungen zum Scheitern von Kulturprojekten aller Art.
Die nächsten paar Jahre beherbergen wahrscheinlich auch das eine oder andere brisante Detail, sind heute aber mal schnell zusammengefasst: Die Stadt will den teuren und denkmalgeschützten Tabakschuppen bereits ein Jahr später doch lieber wieder loswerden. 2010 ist es – Überraschung – abermals Ulrike Siebenhaaar, die sich auf Anfrage des FT vor die Presse stellen und die Verkaufspläne schönreden muss. Nachdem sich bis 2013 niemand gefunden hat, ging der Deal hausintern über die Bühne, um in der Kultursprache zu bleiben. Die Edgar-Wolfsche Stiftung, eine 100%ige Stiftung der Stadt unter Leitung des Stiftungsreferenten Betram Felix, kaufte das Gartenhaus mit angeschlossener Tabakscheune von der Stadt ab. Das Geld floss an? – Richtig! – An den Finanzreferenten Bertram Felix. Er nahm also Geld aus der linken und schob es in die rechte Hosentasche. Das umliegende Gebiet wurde Teil eines Bebauungsplans, der eine Sanierung der Tabakscheune verpflichtend für den Erwerber vorsieht. Für die dortigen Neubauprojekte fand sich ein – wie nannte es der FT so schön – “regional bekannter Bauträger” oder so.
Alle paar Jahre stolpert seither irgendjemand zum Lostplace “Tabakscheune” und kommt auf Ideen. Ein eigenes Depot – vielleicht speziell für geheime Akten – war ein Vorschlag von Betram Felix. Aus dem Immobilienmanagement hörte man 2016, dass man wieder mal in einer Findungsphase sei: “Konzeptionell und finanziell!” und “Höherwertige Nutzung!” – Klingt doch schön.
Aber im Juli 2018 ging es dann schnell. Laut FT stand nach mehreren Beschlussrunden durch verschiedene Gremien fest: Die Tabakscheune wird zum Marionettentheater samt Lager, 2021 ist alles fertig. Punkt. Die Sanierungskosten von 2,8 Millionen: Pappenspiel, denn zahlen muss die ja der Erwerber der Grundstücke aus dem Bebauungsplan drumherum. Oder die Stiftung. Wer weiß das damals schon so genau, hat ja keiner gefragt. Komisch. Bis heute wurde jedenfalls nicht mal eine Bautafel ans Gebäude genagelt, und das obwohl doch bereits jetzt 2021 ist… Hoffentlich merkt es keiner.
Dafür müsste man ohnehin im Archiv vom FT wühlen. Und wer macht das schon, wenn man eine (wir erinnern uns) wohltemperierte Sitzungsvorlage unserer Kulturreferentin vor die Nase gehalten bekommt. Ich zitiere frei: Dass da noch nix passiert ist, daran ist Corona schuld. Dass da unbemerkt eine Bruchbude in der Sandstraße bröckelte, entpuppt sich als Glücksfall. Und für läppische 30.000 Euro könnten wir da mal mit dem Zollstock durchwackeln und schauen, ob wir für das Marionettentheater ein Eckchen finden. Nennt sich Studie. Supi, supi, supi!
Oder doch nicht? Denn immer da, wo sich Kritiker auftun, wird reflexartig diskreditiert, absichtlich falsch verstanden, da schreckt man seitens städtischer Mitarbeiter nicht mal vor trumpesken Formulierungen zurück. Beispiel gefällig?
Am 19. Februar schrieb ich im Anschluss an ein Treffen zur Oberen Sandstraße wörtlich: “[…]die Tabakscheune […] hat inzwischen – so munkelt man – hohe sechsstellige Planungskosten bei der Stadt und ihren Stiftungen verbrannt.”
Wenige Stunden später reagiert Ulrike Siebenhaar (wir erinnern uns, sie war 2009 noch die Pressesprecherin beim geplatzten Kindergartenplan): “Und um hier gleich mal mit ein paar Fakenews aufzuräumen: Für die Planung der Tabakscheune als Marionettentheater ist bisher lediglich ein sehr niedriger 5(!)stelliger Betrag für eine Machbarkeitsstudie angefallen und mitnichten ein sehr hoher sechsstelliger wie es manch Kasperl in Bamberg verbreitet.”
Weder ich noch ein Kasperl haben das zwar behauptet, und dass eine gelernte Pressekunsthistorikerin kulturell offensichtlich eher auf moderne, aber schweigende, mit Senf eingeriebene Altmetallinstallation für horrendes Geld als auf Lokalkabarett steht, dürfte auf der Hand liegen, aber “Fake News” als Abwehrreaktion ist mutig, wenn man bedenkt, dass Herrnleben nicht sechsstellig schreiben würde, wenn er nicht sechsstellig meint.
Die CSU-BA-Fraktion scheint bei mir mitzulesen, war irritiert und fragte eigentlich unmissverständlich am 23.2. in einem Antrag zur Tabakscheune nach “einer Aufstellung der Höhe und Verwendung der bisher ausgezahlten Gelder jeglicher Art (u.a. aus Stiftungen)”, der von der Pressesprech….Kulturreferentin Siebenhaar im Vortrag beantwortet wird mit:
“Für die Unterbringung des Marionettentheaters in der ehemaligen Tabakscheune sind bisher für die Erstellung einer Machbarkeitsstudie Honorarkosten von […] 21.274,24 € angefallen. Weitere Planungen der Tabakscheune wurden bisher nicht beauftragt.”
Aha. Keine weiteren Planungen. Nur 21.274,24 Euro. Also dass so manchen hochrangigen Prämienpremiums der Stadtverwaltung das Verhältnis zum Geld abhandengekommen ist, entschuldigt vielleicht, dass man sich vielleicht ein wenig vertut und sie sich deshalb – obwohl sie damals ja bereits Pressesprecherin war – an die bereits 2009 angefallenen Kosten für die Tabakhaus-Kindergartenplanungen des Bamberger Architekturbüros Gleisner-Mahnel im Auftrag der Stadt nicht mehr erinnern kann. Vielleicht hat das Architekturbüro damals auch schon getreu dem Kulturmotto “Ist ja Werbung für dich” kostenlos geplant. Vielleicht ist ihre Antwort auch ein juristischer Winkelzug, eine sprachliche Feinheit, die ich nicht versteh, im inzwischen bekannten Pressesprechstil der Stadtverwaltung bei heiklen Themen, aber egal wie….
Es fakene…frohlockt aus dem Kulturreferat!

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