Herrnleben über die letzten Monate

Herbst 2020. Die SPD feierte noch ihren OB, die Grünen fanden ihr Postengeschachere noch top, die CSU stolperte durch ihre neue Rolle in der Opposition, die Wahldatenschutznummer schien vereist, Zulagen waren gestrichen, Werder Bremen pendelte noch irgendwo zwischen Platz 7 und 10 der Bundesligatabelle. Alles supi in Bamberg!

War es auch meine letzte Printkolumne zeitlich um den kurzen Wellenbrecherlockdown im… äh… November 2020, als ich mir vom Christkind den Bericht des Bayerischen Kommunalen Prüfungsverbands unter den Christbaum gewünscht hatte? Ja, oder? – Die stadträtischen und -rätinnischen Reaktionen folgten auf den Fuß: Was ich da wieder behaupten würde? Ewigen Vermutungen würde ich hinterherhumpeln! Und überhaupt, es wäre doch nur eine persönliche Liebesgeschichte zwischen mir und unserem Chefsachenchef. Kann ja auch nicht sein, dass so ein dahergelaufener Hanswurst, so ein Einheimischer, so ein unpromovierter Ureinwohner mehr weiß und mitbekommt als die Gesalbt… Gewählten!
Ich musste gar bis zum Heiligen Abend warten. Schon deutlich vorher lag der Bericht – rotes Schleifchen drumherum – bei mir im Vorgarten (Ich hab keinen Vorgarten, aber ich weiß, dass sich nun Leser denken: “Ahhh! Im Vorgarten also! Ein Hinweis!”). Während die einen Ratsherrinnen und -damen (witzigerweise erhebliche Schnittmenge zu oben) fast beleidigt waren, dass halb Bamberg über einen Bericht sprach, der anfangs nur für Mitglieder des Rechnungsprüfungsausschusses, ein paar Journalisten und einen Kleinstadtkabarettisten bestimmt war, und sie dastehen und zugucken, so wie der König Max im Brunnen, wollten die, die den Bericht offiziell hatten, ihn lieber nicht verstehen und scheiterten vorsorglich an Initialen und Nummern. (Idee: Einen können wir nun Richtung Bundestag hochloben).

Lange Rede, aber sechs Monate später hat nahezu jede Zeitung im süddeutschen Raum zumindest schon einmal über die Bamberger ÜberstAndis berichtet, die Schorschs, Gundas und Liesbeths dieser Stadt wissen auch Bescheid, der Rechnungsprüfungsausschuss (bislang das Hirschknock der Stadtratsgremien) hat öffentlich getagt und eine Kooperation aus Staatsanwaltschaft Hof und Kripo Coburg hat unser Rathaus auf links gestülpt. Das Thema scheint allgegenwärtig.

Aprops! Der Betriebsausflug der Hofer Staatsanwälte war auch nur einer der vier Kinnhaken innerhalb weniger Stunden. Auf die Einladung zu einem kleinen Datenschutzgerichtstermin für unseren OB vor dem Amtsgericht Bamberg, die der FT anschließend großflächig bekannt machte, folgte ein Abstimmungsfiasko im Stadtrat, bei dem sich mehr oder weniger einzig die CSU hinter ihr rot-grünes Ober-Bürgermeister-Duo stellte. Deren eigene Fraktionen (neuer Name der Kooperation: “Bamberg Fracts”) machten das, was man bei einem angezählten Oberbürgermeister der eigenen Parteienkoalition macht: Man tritt ihm von hinten in die Kniekehlen. Dass der SPD-Frontmann (Angebliches Gründungsmitglied der Selbsthilfegruppe “Anonyme Stayawakeler”) keinen Bock auf Brückensperrungen hat, war klar. Dass die Grünen auf Dialog – notfalls mit Wasserwerfern und Schlagstöcken stehen – verwundert mich allerdings. Und zuletzt besiegelte Werder Bremen am darauffolgenden Wochenende auch noch seinen Abstieg in die 2. Fußballbundesliga und bescherte unserem OB (gleichzeitig bekennender Bremenfan) schon einmal eine kleine Vision auf seine persönlichen kommenden Wochen und Monate.

Natürlich steht es jedem frei, immer und immer wieder gebetsmühlenartig zu behaupten, dass alle Vorwürfe haltlos sind. Der BKPV-Bericht, die weg-, her-, hin- und zurückgestrichenen Zulagen, die Affäre “Adressgate”, sogar der Abstieg von Werder Bremen, alles könnte eine Erfindung, eine Kampagne der Medien (#luegenpresse) sein, um das System zu schwächen und zugrunde zu richten.

Ich bin gespannt, was die nächsten Monate bringen. Wetten würde ich aktuell nur darauf, dass Werder Bremen wahrscheinlich irgendwann wieder aufsteigt.

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