Über zweckentfremdete Satzungen

Jeden Monat das Gleiche. Wochenlang bin ich am Überlegen, was ich den geneigten Stadtecho-Lesern im nächsten Monat auf die Fußmatte vor die Tür legen kann. Und Monat für Monat stolpern – mal mehr, mal weniger öffentlichkeitswirksam – die Stadtverwaltung und ihre Obersten im letzten Moment kurz vor Redaktionsschluss über kleine, fiese Poller, die sich – im Unterschied zu den Unsrigen in der Sandstraße zuverlässig – unbemerkt in den Weg geliftet haben. Da lässt sich unsere Rathausoberschicht nicht lumpen, auch auf unseren OB ist da Verlass.

In den vergangenen Tagen machte eine fehlende Unterschrift unseres Chefunterzeichners die Runde. Wie (zufällig, Zwinkersmiley ins Rathaus) bekannt wurde, bekam die Stadt vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zum wiederholten Male die Leviten gelesen, weil man das Ausfertigen von offiziellen Dokumenten eher entspannt angegangen war. “Da, druck des amoll aus! Des is etz unner Gesetz!” reicht halt vor Gericht nicht. Konkret ging es um die sogenannte Zweckentfremdungssatzung, die mangels korrekter Ausfertigung für den Zeitraum 2019/2020 für unwirksam erklärt wurde.

Zweckentfremdungssatzung? – Klingt erstmal mittelmäßig sperrig, aber Insidern dürfte bekannt sein, dass es sich dabei nicht um Regelungen zu Überstundenpauschalen handelt, die man – zweckentfremdet – für rechtlich nicht mögliche Höhergruppierungen verwenden wollte. Auch geht es nicht um ein Stehcafé am Schönleinsplatz, das man – auch zweckentfremdet – als Outdoor-Sitzungssaal für die ganz wichtigen Entscheidungen nutzt. Es sind auch nicht die AGB eines ehemals unabhängigen Bamberger Facebookportals, das man nun als SPD-Werbeplattform missbraucht.

Nein, die in den letzten Tagen so oft erwähnte “Zweckentfremdungssatzung” soll die Situation auf dem angespannten Immobilienmarkt in Bamberg verbessern.

Weil in Bamberg inzwischen 16 Quadratmeter-Wohnklos für Studenten bekanntlich gerne mal 1.600 Euro kalt pro Monat kosten und man munkelt, dass es Sinn macht, bereits mit dem Säugling bei einem Makler vorstellig zu werden, damit der ihn auf die Warteliste für eine ausreichend große Wohnung zur Familiengründung 25 Jahre später setzt, hat die Stadt Bamberg der Zweckentfremdung von Wohnraum den Kampf angesagt: Keine undiskutierte, “zweckentfremdende” Umwandlung in eine Gewerbeimmobilie, schon gar nicht in eine Ferienwohnung.

In meiner liberal-christlich-ökologisch-sozialen Brust schlagen mehrere Herzen. Ist so viel Markteingriff in Ordnung? Ferienwohnungsbetreiber: Selbst schuld, Augen auf bei der Berufswahl? Darf man sehenden Auges Immobilienpreise bis auf Münchner Niveau steigen lassen? Welcher Rathausprämienpremium soll sich das noch leisten können? Darf man den Innenstadtbewohnern Woche für Woche Horden von Touristen durch die Vorgärten jagen und ihnen gleichzeitig die Chance nehmen, ein paar Euro daran mitzuverdienen? Wer bezahlt denn die denkmalkonforme Restaurierung des Sandsteinsockels am Altbau, wenn der sich in Folge der jahrelangen Penetration durch Magensäure und Blaseninhalt zu zersetzen beginnt, weil man ein Saufevent nach dem anderen in der Innenstadt feiern muss? Ist es sozial, den Markt zusehends verknappen zu lassen, so dass Wohnungen jenseits der 100 Quadratmeter inzwischen so viel kosten wie ganz hinten im Landkreis, Richtung Unterfranken, Grundstücke mit 10.000 Quadratmeter samt Haus? Letzte Frage: Darf die Stadt auf private Immobilienbesitzer zeigen, wenn sie in den letzten – sagen wir – 15 Jahren unter SPD-Regentschaft am Chefsessel genau wie viele Sozialwohnungen durch ihre Töchter hat bauen lassen?

Die erste, stümperhafte Ausfertigung der Zweckentfremdungssatzung flog der Stadt schon um die Ohren. Ob der zweite Versuch erfolgreicher war, werden wohl wieder Gerichte entscheiden. Aber zum Glück ist die Stadtflucht ja bereits in vollem Gange, da sind sich viele Experten einig. Auch Bambergs Einwohnerzahlen werden wohl in diesem Jahr zum zweiten Mal sinken. Vielleicht brauchen wir die Zweckentfremdungssatzung bald gar nicht mehr und wir haben dann eine zweckentfremdete, aber immerhin unterschriebene Zweckentfremdungssatzung. Juhu!

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