Da räumt man einmal das Regal hinten links auf…
Oft genug in den vergangenen Monaten hatte ich Sorge, dass mir die Themen ausgehen. Und immer wieder überraschten mich das Rathaus und vor allem seine Mitarbeiter mit Geschichten, die ich dann zum Wohlgefallen der Bamberger zu einigermaßen unterhaltsamen Verlautbarungen für Jedermann zusammenpuzzlen durfte. Selbst staubtrockenste Geschichten konnten dadurch vielleicht auch mal lustig werden. Mit dem nun folgenden Sachverhalt ist es anders. Autor ist ein Beamter der Stadt selbst, eine staubtrockene Schublade ganz hinten links könnte beteiligt gewesen sein. Und hätte ich mir die Story ausgedacht, ihr würdet zurecht sagen: “Der Herrnleben, der spinnt! Jetzt übertreibt er!” – Und nun? Ja! Nun stiehlt mir der oberste Rechtsauffassungsjurist unterhalb von unserem Andi die Show.
Erinnert ihr euch genauso gut an das Jahr 1967 wie ich? – Kurt Georg Kiesinger ist Bundeskanzler, Paul VI. ist Papst und Konrad Adenauer stirbt. Die Beatles stehen mit All You Need Is Love auf Platz 1 der Deutschen Singlecharts und ABBA, die Band, die eben nach fast 40 Jahren ihr Comeback feierte, ist noch nicht mal gegründet. Noch lange nicht. Aber wen interessiert die internationale Geschichte? Schauen wir nach Bamberg!
Kinder wurden noch wahlweise zuhause oder am Markusplatz geboren, das bis heute ultrahübsche Bürgerrathaus war damals noch ein drei Jahre junger, schnieker Neubau und diente als Landratsamt. Unser Andi war wohl, wenn ich mich nicht verrechnet hab, gerade aufs Gymnasium gewechselt, um dort zu lernen, wo und wie man den eigenen Namen richtig auf Schulaufgaben und Extemporalien schreibt, damit sie hinterher auch fürs Zeugnis zählen. Mitten auf dem Maxplatz stand noch eine Kirche und vor den Toren der Stadt wurden unweit des Schönleinsplatzes noch Hexen verbrannt. Ihr merkt… 1967 ist lange her! Aber nicht lange genug für die pflichtbewusstesten Rathauspremiums unserer Stadtverwaltung!
Es schlug wohl in den vergangenen Tagen bei einigen Immobilien- und Grundstücksbesitzern rund um den Margaretendamm ein Schreiben aus dem Bauamt ein. Der Inhalt des Briefes, ganz grob in meinen, aber nahezu originalgetreuen Worten zusammengefasst: “Keine Ahnung, wie das passieren konnte, aber wir haben halt jetzt da einen Antrag aus dem Jahr 1967 gefunden, den wir irgendwie nie bearbeitet haben. Unerklärlich! Aber des machmer halt einfach edserdla!” – Begründet wird der plötzliche und überraschende Fund mit “im Zuge der Digitalisierung”. Hopperla!
Auch wenn sich die damaligen Unterzeichner – allesamt stadtbekannte Namen und meiner Kenntnis nach zwischenzeitlich wortwörtlich niedergelassen an der Hallstadter Straße – wahrscheinlich selbst kaum noch nach 54 Jahren für ihren Antrag einer Eigentumsstraßenwidmung interessieren dürften, hat es der Rechtsauffassungsdirektor nun sehr eilig und treibt das Verfahren voran. Vielleicht geht es um einen Eintrag zum “Bescheid mit der allerlängsten Antragsbearbeitungsdauer” im Guinnessbuch der Rekorde?
Warum er den unbearbeiteten Antrag von 1967 nicht einfach peinlich berührt, heimlich, still und leise durch die Reißwolf gejagt hat? Warum er riskiert, dass diese absurde Geschichte – und ganz ehrlich: Inzwischen muss doch jeder Mitarbeiter im Rathaus damit rechnen – bei mir aufschlägt, ich sie erstmal breittrete und dann auch noch blöd nachfrage? Warum er den Imageschaden für die Stadt nicht einkalkuliert, der droht, wenn die Nummer vor Gericht wieder mal in die Binsen geht, weil vielleicht nicht alle heutigen Grundstück- und Immobilieneigentümer den damaligen Antrag so richtig geil finden?
Bestimmt zwingt ihn nur sein unbändiges Pflichtbewusstsein! In der Stadt Bamberg geht’s korrekt zu! Das wissen wir!
1967 war es übrigens auch, dass jemand im Bauamt zuletzt den Stapel mit den Anträgen “Irgendwann mal bearbeiten” hinten links im Regal durchgesehen hat. Ich hab ein wenig Sorge, was die da noch alles finden…
mins
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