Die finsteren Mächte hinterm Herrnleben
Bambergs größter Ortsverein setzt Stieringer moralisch vor die Tür, der Unterbezirk fasst den Beschluss für ein Parteiordnungsverfahren.
Die monatelange Hängepartie endet unmittelbar im Cliffhanger. Es ist der nervigste, der klebrigste, der langwierigste Skandal in Bamberg, seit ich mal mit holden 18 auf Höhe des Liveclubs an einem lauen Samstagabend in einen Kaugummi getreten bin. Es werden weitere Wochen, wahrscheinlich eher Monate vergehen, bis das Parteiordnungsverfahren Fahrt aufnimmt, das sich erstens mit der Frage beschäftigen soll, ob BambergFacts’ investigative AfD-Recherche für den “Ich bin ja keine Journalistin”-Preis vorgeschlagen wird. Stieringer hält sicher die Laudatio. Es wird zweitens um die Frage gehen, welche Parteien er besser findet als seinen eigenen Club und deshalb gern mal Werbetrommel rührt, und vor allem wird drittens zu klären sein, was für ein intimes, düsteres oder spannendes Geheimnis zwischen Klaus und Stefan, inzwischen besser bekannt als Stieringer und Sandmann knistert.
Die Kampagne, wie sie die Letzten seiner Getreuen nennen, geht also weiter. Unerhört, wie da recherchiert wurde, hieß es oftmals. Ich solle halt die SPD intern aufklären lassen, schrien die Fangirls und -boys rund um unseren wichtigsten Ex-Fraktionschef aus Bambergs Skandaltruppe unisono. Und dann berichtet auch noch die Presse. Das, meine lieben Freunde, ist doch der eigentliche Skandal!
Das glauben sie zumindest bis heute.
Es könnte seit Anfang Dezember zu Ende sein. Wäre unser aller Klaus direkt am Freitag nach quer, besser noch direkt nach dem FT-Interview mit mir über Fakeaccounts oder – aber das wäre meinerseits ja auch total vermessen – nach meinem ersten Blogbeitrag über die Sandmanns, Hausdörfers und Frankens dieser Stadt mit ein wenig Demut vor die lokale Presse statt durch ein Fettnäpfchen nach dem anderen gestolpert, hätte man das Thema noch vor Weihnachten begraben können.
Stattdessen wurde geschwurbelt. Und seither geistern die SPD-Phantome durch die deutschlandweiten Medien und verpassten unserer Stadt einen weiteren Stempel neben Basketball-, Symphoniker-, Weltkultur- und Überstundenstadt. Man könnte wohlwollend sagen: Klaus Stieringer als Possenprotagonist hat gewissermaßen eine besondere und ganz moderne Art des medialen Stadtmarketings betrieben.
Hinter den SPD-Kulissen erzählt man sich die Mär vom beauftragten und bezahlten (Ach Gott, ich wär ein gemachter Mann..) Kleinstadtkabarettisten. Monatelang war ich, so munkeln sie, im Auftrag finstrer Mächte in meinem Kellerverschlag gesessen. “Für die CSU!” sagen die einen, “Für den Merzbacher!” die anderen. Sogar unser Chefsachenchef vom Maxplatz wird als heimlicher Drahtzieher genannt, weil mein Fakeaccountskandal gekonnt von allen sonstigen Windigkeiten des Rathauses ablenkt.
Nenene, Freunde! Die Nummer ist schon meine. Das hab ich ganz alleine initiiert. Und wisst ihr was? – Witzigerweise kann ich das bei Bedarf sogar eidesstattlich versichern.
Nach dem unterhaltsamen Video mit Frau Dr. Thormann wunderte man sich lieber erstmal reflexartig, warum sie überhaupt mit mir spricht, denn immerhin hat sie einen Doktortitel. Und ich nicht. Auch hier entblödeten sich die Kingstreet-Cheerleader wieder maximalst, indem sie Namen möglicher Geldgeber in die Weltgeschichte hinausplärrten, die aber schneller dementierten als man “forensische Linguistik” buchstabieren kann. Es scheint (erscheint wäre hier auch möglich, aber nicht schön) für einige schwer vorstellbar, dass sich Braunschweiger Gutachter mehr für demokratische Prinzipien einzusetzen bereit sind als so mancher Ratsmensch hierzulande.
Einfacher ist es, von einer großangelegten Presse-Kampagne zu schwadronieren. Es war aber weder eine Kampagne von Herrnleben & Co, noch eine Feldzug von Stieringers unliebsamen Genossen. Fakeaccounts zu dulden und zu betreiben als dilettantischer Versuch der Meinungsmanipulation, ist schlichtweg seltenhohl und für Politiker auf jeder Ebene außerhalb Russlands risikobehaftet und, wenn es herauskommt, nicht tolerierbar. Sich selbst obendrein von den Marionetten virtuell per “Daumen hoch” applaudieren zu lassen, ist wie die ersten 25 Seiten im Kindergarten-Freundebuch selbst auszufüllen, um beliebter zu wirken.
Stieringer führte in den letzten Monaten vor allem eine Kampagne gegen sich selbst und gegen seine politische Zukunft. Statt sich immer und immer wieder neue und immer absurdere Erklärungen zusammenzuverklausilieren, die die Presse aufklären muss, weil es ihr Job ist, wäre es immer noch das einfachste, den oft erwähnten, moralischen Kompass zu schütteln und zu schauen, in welche Richtung er dann wohl zeigt. Ich habe allerdings die Befürchtung, der Kompass ist über Bord. Dabei wäre es bis heute eine Option, statt – mehr schlecht als recht – einen Lektor mit Rechtschreibschwäche zu imitieren lieber einmalig auf der Pressekonferenzbühne den Christoph Daum zu geben und mal für ein paar Monate nach Canossa zu pilgern. Da kommt die Presse sicher nicht mit.
mins
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