Vorbestraft. Oder nicht.
Seit einigen Tag wabern Gerüchte zur Begrifflichkeit der Vorstrafe durch die Weltprämienstadt Bamberg. War unser OB bereits oder ist er künftig vorbestraft? Gehören strafrechtliche Reibereien mit dem Gesetz – unvermeidlich – zu einer guten Amtsführung? Was wiegen schon so kleine, andere Rechtsauffassungen beim Zuschanzen von Geldern an besonders liebgewonnene Mitarbeiter, ein wenig Untreue und dieser Datenschutz, wenn man dafür nur ein paar Tagessätze, aber nicht mal einen Urlaub mit besonderer Aussicht auf Klein-Venedig vom Richter spendiert bekommt, wenn doch große Zukunftsaufgaben vor uns liegen? – Was haben zwei Verurteilungen nach StGB für Konsequenzen?
Die Überschrift „Staatsanwaltschaft Hof erhebt keine Anklage“ der städtischen Pressemitteilung zum Strafbefehl gegen den Oberbürgermeister, aktuelle und einen ehemaligen Rathausmitarbeiter sorgte – sagen wir es diplomatisch – für Irritationen und gewissen Unmut, suggeriert sie dem Leser doch womöglich, dass alles wieder superduper wäre im Rathaus am Murksplatz. Das Dehnen der Wahrheit zum Selbstschutz gehört wohl zum politischen Geschäft, wird aber halt zur Lachnummer, wenn man die Wählerschaft – mal abgesehen von den zwei, drei üblichen intellektuell Versprengten – für dumm verkaufen möchte.
Anspruchsvoller wird es – selbst für Leute, denen das Denken nicht ganz fern ist – bei aktuellen Diskussionen über die Begrifflichkeit der „Vorstrafe“. Bereits seit Mittwoch, dem Vorabend des Liebesbriefes aus Hof, wird rege diskutiert. Meinungen werden verbreitet und Halbwissen wird gestreut. Hinter den Kulissen, bei den Ratsherrinnen und -damen und da, wo die Wahrheit sozusagen zuhause ist: In den sozialen Medien.
Zufall oder Methode? Ein Schelm, wer Böses denkt, aber wer weiß das schon. Doch wofür habt ihr mich, Florian „Ich kann ja nicht alles besser wissen“ Herrnleben…..
Ist der OB bereits vorbestraft? Ist er erst vorbestraft, wenn er den Strafbefehl annimmt? Oder hängt es an den Tagessätzen, den Punkten in Flensburg oder den notwendigen Schlägen am Sandkerwa-Fass?? Wir gehen der Sache auf den Grund!
Ich hab mich deshalb in den vergangenen Tagen von einer Strafanwältin beraten lassen. Kostenlos, versteht sich, Erstberatung, sozusagen, bevor die Stieringerfanboysandgirls wieder schnappatmend spekulieren, woher der Kleinstadtkabarettist die Kohle für Spezialisten hat.
Das Nachfolgende erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder absolute Richtigkeit, denn wir wollen ja kein Staatsexamen schreiben, sondern nur klären, ob wir unseren OB bald ungestraft „Ganoven-Andi“ nennen dürfen.
Es gibt das sogenannte Bundeszentralregister, kurz BZR. Dort sind strafgerichtliche Verurteilungen hiesiger Gerichte aufzunehmen. Punkt. Kein Aber. Unser Andi hat dort also bereits wegen dieser kleinen Rechtsauffassungsdifferenz zum Datenschutz eine unübersehbare Bremsspur in den Akten hinterlassen. Weil das mit dem Verscherbeln etwas arg erweiterter, personenbezogener Daten seiner Bürgerschaft zum Zwecke der Wahlwerbung für einen Oberbürgermeister fast nur ein Kavaliersdelikt ist, fliegt der Eintrag aber nach fünf Jahren wieder aus diesem Register. In sperriger Juristensprache heißt es: “Der Eintrag wird getilgt”. Er ist also tatsächlich irgendwann wieder so straffrei wie zur Amtseinführung als OB. Allerdings ahnt ihr es bereits: Nimmt er den neuerlichen Strafbefehl zur Boniaffäre an, kriegt er ein zweites Fleißsternchen ins Heftchen beim BZR geklebt.
Muss nun also beispielsweise ein Richter herausfinden, ob jemand „vorbestraft“ ist, weil sich daran ja beispielsweise weitere Strafen für weitere Straftaten orientieren, glaubt er nicht dem Stammtischgerede von SPD-Stadträten, sondern schaut ins BZR und weiß flott über vorangegangene Strafen Bescheid. Wurden da also bereits eine oder mehrere Verurteilungen eingetragen, heißt es: Die Person hat VORstrafen, sie ist also VORbestraft.
Da reinschauen dürfen aber nicht alle. Da helfen nicht mal die Whistleblower aus dem Rathaus oder ein Presseausweis. Für Arbeitgeber und sonstige Notwendigkeiten gibt es das sogenannte Führungszeugnis, eine FSK6-Variante der o.g. Premiumauskunft. Würde uns unser Andi – Stand heute, ganz wichtig! – mit seinem Führungszeugnis vor der Nase herumwedeln, wäre das mutmaßlich blütenweiß, denn Verurteilungen zu Geldstrafen von nicht mehr als 90 Tagessätzen lässt man für das Führungszeugnis unter den Tisch fallen. #jugendsuende #einmalistkeinmal. – Ausnahme: Es gibt weitere Strafen im Register, dann interessieren die Tagessätze nicht mehr, und es wird aufgeführt.
Das bedeutet für unseren Chefsachenchef: Nimmt er nun den zweiten Strafbefehl an, ist das mehr als eine Verurteilung, und auch sein Führungszeugnis ist nimmer jungfräulich. Sollte er also nach der Zeit als OB noch auf Jobsuche sein Führungszeugnis herzeigen müssen, könnten unangenehme Fragen gestellt werden. Mit ‘nem Job als Datenschutzbeauftragter oder Compliance-CEO im DAX-Konzern wird’s wahrscheinlich nix. – Allerdings, da darf man sich hinsichtlich des Führungszeugnisses auch nix vorlügen, gibt Google in seinem Fall womöglich mehr her als auf 25 Seiten Führungszeugnis Platz hätte.
Immer wieder taucht die Begrifflichkeit der Gesamtstrafe auf, die gebildet hätte werden können. Oder nicht mehr, weil er die erste Strafe zum Datenschutz sicherlich schon bezahlt hat. Da ihn der Gesetzgeber aber nicht dafür bestrafen möchte, dass er seine Datenschutz-Tagessätze pünktlicher bezahlt als ich meine Strafzettel, hat er sich den sogenannten Härteausgleich ausgedacht. Deshalb wurden wohl bei der Bemessung der Strafe für seine Boni- und Prämienaktion im Rathaus ein paar Tagessätze abgezogen. Man kann die 80 Tagessätze also als Glück bezeichnen, weil er in eine Rabattaktion gerutscht ist und schon eine Bonuskarte hatte. Das hat mit der Vorstrafenbegrifflichkeit wenig zu tun, denn wir haben gelernt: Vorbestraft ist, wer mindestens einen, nicht bereits getilgten Eintrag zu einer strafgerichtliche Verurteilungen im Bundeszentralregister stehen hat.
Wir dürfen dennoch gespannt sein, was er macht. Die Pressestelle feilt sicher schon an der windigen Überschrift für die Pressemitteilung: „OB Starke in Zukunft nicht vorbestraft“ oder „OB ein Opfer? – Richter macht Härteausgleich!“
mins
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