Auf in die drölfundachtzigste Runde im Fakegate

“Unter dem Druck der BKPV-Berichterstattung und im Glauben daran, der Partei und dem Oberbürgermeister dienlich zu sein, haben ein paar gute Bekannte und ich Fakeaccounts angelegt als Versuch, die Meinung in den sozialen Netzwerken zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Das war eine saudumme Idee. Ich möchte bei allen um Verzeihung bitten, die darauf hereingefallen sind, die sich diskreditiert fühlen und die als Wähler von mir enttäuscht sind. Fakeaccounts haben im politischen und gesellschaftlichen Diskurs einer Demokratie nichts zu suchen. ich trete von meinem Amt als Fraktionsvorsitzender mit sofortiger Wirkung zurück und habe heute bereits eine Spende an “Kinder in Not” in Höhe von 5000 Euro veranlasst. Mit voller Kraft, aber demütig möchte ich mich nun vor allem meinen Aufgaben als Stadtmarketinggeschäftsführer widmen.”

So oder so ähnlich, vielleicht noch mit den typischen Betepatschehändchen, mit denen er so gerne seine Postings dekoriert, hätte sich unser Ex-Genosse und Ex-Fraktionschef bereits spätestens im Dezember 2021 aus der Nummer rausretten können. Alle hätten kurz gegrinst, eine FT-Titelseite und eine SZ-Kolumne später wäre der Fakeaccountskandal schon – wahrscheinlich sogar noch kurz vor Weihnachten – beendet gewesen. Wäre, wäre, Rostbratwurst! Wie Profipolittaktiker Stieringer stattdessen in den darauffolgenden Monaten durch das politische Bamberg schanzenviertelte, haben wir hinreichend thematisiert, bevor er dann Anfang August endlich – mehr als ein halbes Jahr nach meinem ersten Blogbeitrag über die Sandmanns, Hausdörfers und Frankens dieser Stadt – sein Parteibuch durch den Reißwolf schob und die Fraktion verließ.

Zum Glück hab ich zu diesem Moment im Sommer nicht gewettet. Ich war überzeugt, er nimmt halt noch für zwei, drei Monate die Kohle für Mandat und diverse Aufsichtsratspöstchen mit, die er dank SPD ergattert hatte, sichert dem Stadtmarketing anschließend den Zuschuss und erspart den übrigen Ratsherrinnen und -damen anschließend seine Anwesen… kümmert sich engagiert und voller Tatendrang um seine Maxplatzevents, wollte ich sagen, und poliert vor allem die Obere Königstraße 1 wieder auf, die er in den letzten Monaten dank grobmotorischer Verwendung eines polittaktischen Vorschlaghammers einigermaßen mitdemoliert hatte.

Das Highlight bei Bamberg zaubert 2023: Juristische Fackelschwingereien

Aber nix da! Statt Besinnung aufs Kerngeschäft droht er nun wieder mit juristischen Mitteln, sollte er sein ehrenamtliches Mandat im Stadtrat aufgeben müssen. “Schon wieder!” hört man Heinrich und Kunigunde aus dem Kaisergrab seufzen, denn bereits im Januar schwang er erstmals wild mit der Waage von Justitia, bis dann Monate später mal ein trauriges Brieflein einer Kanzlei aus Gotha ganz Bamberg in seinem Namen in Angst und Schrecken versetzte. Bisher aber alles nur billiger Nebel und Rauch des Hexenmeisters von “Bamberg zaubert”. Ist es diesmal anders?

Von Nötigung und Erpressung ist nun die Rede. Das Strafgesetzbuch wird zitiert, seine Follower empfehlen – für Stieringer nur das Beste! – das Völkerstrafgesetzbuch und die Grundrechtecharta der Europäischen Union. Sogar den internationalen Strafgerichtshofs mit Sitz in Den Haag soll er auf Basis des Römischen Statuts anrufen. Ja. Unbedingt. Das wäre großartig! 

Nach etlichen Tagen der Überlegung verkündete er dann am Wochenende wortreich und staatstragend seinen Entschluss:

Kein Rücktritt, sondern juristische Klärung!

Das Bamberger Stadtmarketing mit seinem zeitweise kurz vor der Heiligsprechung stehenden Geschäftsführer, alle Mitglieder, die gesamte Stadt, … ach, was sag ich … die Bundesrepublik Deutschland hat eine juristische Aufarbeitung nicht nur verdient, sie verlangt förmlich danach! – Glüsenkamp und Neller erleben die nächste Sandkerwa so gut wie sicher als Zaungäste vom Café Sandbad aus, da sind sich Stieringers Experten sicher. 

Lachen oder weinen?

Stieringer scheint auf dem letzten politischen Egotrip durch sein Socialmediablase. Es bemitleidet ihn der letzte Rest an nicht zensierter Ahnungslosigkeit. Die übrigen Treuen aus Nah, vor allem aber aus Fern ohne Einblick in die hiesigen Geschehnisse der letzten Monate besalben ihn in seiner Opferrolle. Jeder noch so kleine Widerspruch wurde über Monate und Jahre wegblockiert. Kritisches Feedback auf seinen Kanälen heute: Fehlanzeige. 

Klar, der Stadtrat hätte bereits im Dezember auf mich hören und die Stadtmarketingzuschüsse bis zur Klärung des Fakegates nur sehr, sehr, sehr vorbehaltlich dünn mit Bleistift in den Haushalt schreiben können, aber es gab den einen oder anderen davon abhängigen Hinterzimmerdeal, für den sich die Grünen wohl in den hinteren Reifen der geförderten Lastenfahrräder beißen. Auch die CSU hat nach mehreren Dekaden Winterschlaf plötzlich festgestellt, dass es eventuell anrüchig, aber zumindest komisch ist, dass der Stieringer, der es mit Umweg über andere Fraktionen fast unbemerkt bis zum SPD-Fraktionschef geschafft hat, der selbe ist wie der drüben von der Königstraße mit den Fakeaccounts.

Aber das spielt am Ende keine Rolle. Der sogenannte Stadtmarketingzuschuss ist nichts weiter als eine grobgeschätzte Zahl im groben Haushaltsansatz der Stadt und nicht mehr als eine grobe Summe an Geld, die man mal eingeplant hat, um sie dem Stadtmarketing evtl. und ggf. im Lauf des Haushaltsjahres zu überweisen. Wie das halt so ist mit Haushaltsansätzen. “Da ist der Stadtrat Herr des Verfahrens”, diktiert sogar der OB rechtsauffassungssicher in den FT.

Zwischenzeitlich hat sich aber halt bekanntermaßen viel getan, was begründet, dass der Haushaltsansatz theoretisch bleibt: Stieringer ist in den letzten Monaten von der unerschütterlichen Botera der Königstraße zur tragischen, fast bemitleidenswerten Karikatur der Karikatur der Karikatur des Lüpertzschen Apoll geworden. Wäre Stieringer ein Bamberger Bauwerk, er wäre wohl die Buger Brücke. Jahrelang war er gut dienlich für viele, die vom Rand, dem tristen Outback der gesellschaftlichen Wahrnehmung in den innerstädtischen Glanz auf die Bühne des Maxplatzes, zumindest ins Backstage begehrten. Nun fahren nur die ganz Mutigen überhaupt noch drüber. Ein Selfie mit Stieringer und man gehörte einst schlagartig zum “Who is who” des Weltkulturerbes, ein knappes Jahr später wird er von so manchem sicherheitshalber entfolgt. 

Zu viele Fragen rund um die Skandale der letzten Monate sind bis heute offen, und wenn wir mal ehrlich sind, eigentlich alle. Angefangen von der Verantwortung für die Fakeaccounts und der Verwicklung des Stadtmarketings in die Lobeshymnen von Stefan Sandmann, über die Verquickung mit BambergFacts bis hin zu den Gewaltfantasien mit Mafiamethoden des Vorsitzenden.

Vielleicht täte Stieringer gut daran, vor Mittwoch noch einmal kräftig nachzudenken. Das Stadtmarketing kann das Geld noch ausbezahlt bekommen, wenn er auf sein Mandat verzichtet. Was von der einen Seite nämlich aussehen mag wie Erpressung, ist der letzte Versuch der anderen Seite, Stieringers berufliche Existenz im Stadtmarketing nicht zu gefährden. Die Alternative wäre nämlich schlichtweg: “Nö! Bis zur Klärung gar kein Geld mehr! Schade!”

Ich wünsche mir endlich Schlussstriche unter der Causa, die vor allem der Fakeaccountspezialist nun selbst verlängert und dabei nicht nur die Zahlung der städtischen Gelder riskiert. Die nächste Mitgliederversammlung im Stadtmarketingverein steht an und ich könnte mir – nach meiner kleinen Umfrage unter noch schweigenden Mitgliedern des Vereins – durchaus vorstellen, dass hier und da Zweifel erwachsen sind, ob die Vorstandschaft samt Geschäftsführer mit einer möglichen Klage gegen die Stadt und dem Festkleben am Aufsichtsratspöstchen wirklich die Interessen des Vereins und der Mehrheit der Mitglieder vertritt. Man wird unter Umständen Fragen stellen. Und ich befürchte, ich weiß, wie Stieringer – perfekt beraten von seiner Facebookblase – antwortet. So wie einleitend geschrieben wird es nicht sein.

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