Keine Zugabe für Broll-Pape
Vorneweg: Ich wollte, dass Sibylle Broll-Pape bleibt. Alles, was ich an Inszenierungen seit 2015 von der E.T.A.-Hoffmann-Theatergruppe gesehen habe, war – mal mehr, mal weniger, aber immer – unterhaltsam. Ich bin nie eingeschlafen. Klingt erstmal absurd, im Theater einschlafen, wie soll das passieren… aber nach gewissen persönlichen Erfahrungen kann ich euch mitteilen: Das ging auch in Bamberg schon mal ganz gut. Man darf und sollte sich also auf die kommenden zwei Spielzeiten freuen, aus Sicht eines Zuschauers hätte ich mir noch viele weitere obendrauf gewünscht, denn was in eben jener Zeit ihrer Intendanz vorne auf der Bühne ankam, war bisher immer mindestens sehenswert. Aber. (Um aus Hoffmanns Sandmann zu zitieren) Hinter der Bühne rumort es.
Nun wurde Broll-Papes Vertrag nicht gewünschtermaßen vorzeitig verlängert, sondern läuft wohl wie ursprünglich geplant im Jahr 2025 aus. Und auch wenn in Gruppenarbeit zwischen aktueller und ehemaliger Presseamtsleitung eine maximal glattgebügelte Erklärung in gewohnter Tabakscheuenkellerqualität herausgeschwurbelt wurde, so glaubt wahrscheinlich nicht mal die Intendantin selbst, dass man sich halt einfach nur hinter die Kultursenatsentscheidung von 2018 gestellt und deshalb jetzt nicht verlängert habe.
Man muss schon unter einem Stein auf dem Munagelände leben, um von der Diskussion in den letzten Wochen um die Verlängerung nix mitbekommen zu haben. Ich persönlich kann mich an keine derart hitzige Debatte zu städtischer Postenbesetzung erinnern. Ganz im Gegenteil. Bamberg ist ja – gerade mit Blick auf die oberste Führungsschicht – bekannt als „Stadt ohne Ausschreibungen auf Basis von Andis Bestenauswahl“.
Bitter für Frau Broll-Pape, dass es beim Job des Theaterchefs nicht vorrangig um politische Macht und Einfluss geht, und so wurde nun erstmals seit langem – teils auch öffentlich – debattiert: Über die künstlerischen Inhalte, die vielen Preise, aber auch die Stimmung im Backstage, Zahlen und Fakten. Es ist vieles ausgetauscht, es führte zu einer Abstimmung, das Ergebnis ist nun klar. Müssen wir nicht vertiefen.
Ein paar Randerscheinungen der Causa muss ich aber dennoch kurz abhandeln:
“von Presseseite her allzu meinungsmachend begleiteten Debatte”?
Befürworter der Intendanzverlängerung sprachen von einer „von Presseseite her allzu meinungsmachend begleiteten Debatte“, von einem „von der Presse hochgebauschten Skandälchen“.
Ich weiß nicht, wann genau es in den letzten Jahren – erstmals hab ich es bewusst im Zusammenhang mit eigenwilligen Rechtsauffassungen und nachgewiesenermaßen zweckentfremdeten Facebookaccounts wahrgenommen – zur besonderen Bamberger Unsitte wurde, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sobald auch nur mal ein leises Presseberichtslüftchen ins Gesicht weht, sofort „KAMPAGNE!!1!!!1“ plärren zu müssen. Nur so als Tipp: Schreit hier in der Stadt jemand reflexartig „KAMPAGNE111!1!“ und basht die Presse, weiß ich inzwischen sicher, dass sich genaues Hinschauen lohnt.
Die öffentliche Debatte wäre überflüssig und die Verlängerung möglich gewesen, wenn man sich auf Seiten der Stadtverwaltung nicht wieder mal nur hektisch aufs konsequente Wegmoderieren konzentriert, sondern die Vorwürfe ernst genommen hätte. Und zwar seit Jahren, neu war da wenig. Oder muss man sagen „ernst nehmen würde“? – Jedem, der sich mit näher mit dem hiesigen Theater beschäftigt, sich nur mal drei Halbsätze mit so manchem kritischen Bamberger Theatermenschen unterhalten hat, war klar, dass da jemand in Führungsposition am Theaterhaus Stimmungsdellen hinterlässt wie eine Abrissbirne im Sturmtief. Aber Krisenkommunikation hat man in dieser Stadt an vielen Stellen verlernt: „Keine Leistung ohne Gegenleistung“, „Ausfertigungsmangelproblem“, … Muss ich weiter aus der städtischen Schwurbelschmiede unterhalb der Tabakscheune zitieren? – Die von Befürwortern geforderte „klare Positionierung der Stadtspitze hinter ihrer Intendantin“ hab ich übrigens auch vermisst. Von mir aus auch „Positionierung vor ihr“, um im Hintergrund mal alle an einen Tisch zu holen und zu klären, was los ist bei den klimatischen Verhältnissen im Backstage.
Stattdessen auf der einen Seite Brief und Video, bei deren genauer Betrachtung man sich schon fragen muss, ob sich das Ensemble wirklich hinter die Intendantin oder doch eher vor Kollegen oder vielleicht nur zum Theater stellt, wildeste und völlig abstruse Geschichten über Frauen mit roten Haaren, die man angeblich absägen will, weil sie Frauen mit roten Haaren sind, Mythen von Nestbeschmutzern und Erklärungsversuchen, was im Theaterbackstage angeblich normal ist und was nicht, absichtlich oder unabsichtlich vergessend, dass dort nicht nur Menschen arbeiten, die zuhause den Kinski überm Bett hängen haben, damit sie künstlerisch maximal ergiebig sind.
Am Theater arbeiten – Überraschung – auch Leute in klassischen Gewerken und eben nicht künstlerischen Berufen, die jenen o.g. Kinski überhaupt nicht leiden können, sondern lieber in Ruhe – wohl im wahrsten Sinne – ihren Job machen wollen. Und von denen wollte wohl auch eine Reihe, dass Frau Broll-Pape nicht länger bleibt als vereinbart oder sich zumindest etwas ändert am nachweislich nicht guten Betriebsklima hinter der Bühne.
Es ist nun auch blöd für mich. Ich als Theaterbesucher wollte, dass Frau Broll-Pape mindestens 26 Jahre lang als Intendantin den künstlerischen Ton angibt, bis sie mich zwei, drei Spielzeiten lang so gelangweilt hat, dass ich wieder mal einschlafe, und wir über einen frischen Wind am E.T.A.-Hoffmann-Theater froh sind.
Aber ich denk, ich komm auch so klar. Und Bamberg ganz sicher auch. Falls wir ohne sie wirklich wieder fiese, dunkle Bauerntheaterprovinz werden, wie manche orakeln, dann ja auch nur zwei Jahre früher als von ihr selbst gewünscht.
mins
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