Überraschung, uns gehört ein Haus!
Das war vielleicht eine Überraschung für die ins Ratsgremium gesalbten Damen und Herren unterschiedlichster politscher Ausrichtung. Ich meine nicht, dass es mit unserem Städtchen, wenn man am Bahnhof links abbiegt und ein bisschen geradeaus fährt, sogar noch ein paar Meter weiter geht. Seit der legendären Bürgerversammlung („nicht privilegierter Bamberger Norden“) weiß jeder Stadtrat zumindest aus Erzählungen, dass Bamberg aus mehr besteht als nur aus Insel- und Berggebiet. Nein, ich denke an die Erlebnisse am kleinen Wandertag des Finanzsenats entlang der Bahngleise Richtung Hallstadt.
Erschrocken sind sie plötzlich in der Benzstraße, als sie überraschend vor dem Haus Nr. 9 standen, das sie vor sechs Jahren höchstpersönlich gekauft hatten, um mittelfristig zur Entlastung des angespannten Bedarfs an städtischen Büroflächen beizutragen. Man spricht von rund 4000 Quadratmetern, die dort zum großen Teil schlichtweg unvermietet und ungenutzt leer stehen.
Nun könnte man natürlich sagen: „Mir hamms ja!“ und mit Fingerzeig auf alle anderen Kommunen skandieren: „Eure Armut kotzt uns an!“ – Aber Oberfrankens Regierung aus Bayreuth feiert uns regelmäßig eben nicht für besonders solide städtische Finanzen ab, ließ sich zuletzt sogar den Haushaltsplan persönlich von den Stadtoberen erklären. Eine Immobilie dieser Größenordnung bringt pro Jahr mittlere bis hohe sechsstellige Mieteinnahmen. Sechs Jahre Leerstand bedeuten mehrere Millionen Euro, die letztlich dann wieder für Überstundenpauschalen und Bonizahlungen fehlen. Also auch irgendwie traurig, selbst wenn davon in Schulsanierung nix geflossen wäre.
„Jo! Die Immobilie ist ja zum Teil maroooode! Das ist schwierig gewesen evtl. mit dem Vermieten! Man müsste vielleicht erstmal energetisch sanieren!“ – Ich hör all die schon jammern und Ausreden zusammenstottern, die nicht zugeben wollen, dass sie die Liste der leerstehenden Immobilien, die ihnen regelmäßig vorgelegt wurde, schlichtweg nicht gelesen, verstanden oder nur zum Einwickeln der Lachsschnittchen beim letzten Sektempfang verwendet haben.
Ich versteh auch noch nicht, was man sich 2017 dachte, als man im Stadtrat beschlossen hat, die Hütte zu kaufen. „Achja, bisschen was gehört evtl. gemacht, aber das regelt sich bestimmt von selbst, bis wir das Gebäude als Rathausersatz brauchen!“ – Der Beschluss, der Kauf… es ist halt mehr als drei Bockbieranstiche her. Da brauchst heute keinen Stadtrat mehr fragen. Und auch nicht, ob sie so mit ihrem eigenen Eigentum umgehen.
Aber das ist ja ohnehin nur der finanzielle Aspekt.
Wenn eine Rathausoberschicht, die ihre Bürger hinsichtlich Vermietung von Wohn- und Gewerbeimmobilien mit so unterhaltsamen Instrumenten wie Zweckentfremdungssatzungen ganz fest an die Hand nehmen möchte, gleichzeitig ihre eigenen Hausaufgaben nicht macht, ist das wie ein gesamter Stadtrat, der nach einem Bockbieranstich lautstark um 4 Uhr früh über die Untere Brücke eskaliert.
Benzstraße 9, ein tragischer, bedauerlicher, trauriger Einzelfall?
Man kann die Stadtverwaltung Bamberg mit Blick auf die – natürlich nicht öffentliche – Liste leerstehender städtischer Immobilien getrost als kleinen Bruder der German Property Group bezeichnen. Die „Bamberger Property Group“, sozusagen. Immobilien über Jahre hinweg leer stehen und ungenutzt zu lassen, weil Finanzreferent Tebartz von Bamberg Zwischennutzungen so attraktiv findet wie Tauben auf dem frisch restaurierten Sandsteinsockel von St. Michael, weil man sich als Stadtrat mit Präferenz fürs schöne Pressefoto zur Wiedereröffnung lieber um die Hochglanzbauten in der Altstadt als um Bürogebäude fast in Hallstadt kümmert, weil man sich lieber für Sanierungen feiern lässt, wo jeden Tag Touristen staunend Selfies machen angesichts der Bamberger Baureferatskunst,.. also schlichtweg deshalb nichts zu tun, „weil man es kann“, das ist falsch und hat die Stadtgesellschaft allein in der Benzstraße nun – nur grob geschätzt – mehrere Millionen gekostet.
Im Übrigen ist es genauso falsch, wenn Stadträte nun ganz erschüttert schauen, denn die Liste der leerstehenden Immobilien lag vor. Mir nicht, aber denen. Und die Benzstraße 9 steht da direkt oben in den ersten Zeilen, man hätte nicht mal allzu viel und weit lesen müssen. Aber man lässt sich im Gremium der Ratsherinnen und -damen halt gerne auch mal überraschen.
mins
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