Regress im Überstundenskandal oder auch “Andi im Glück”

Die Versicherungskammer Bayern als großer Versicherer der Stadt hat Geld geboten. Viel Geld dafür, dass man keinen Regressprozess gegen die Teile der Stadtspitze führt, die Gelder veruntreut haben. Der Personalsenat muss am morgigen Donnerstag nun darüber entscheiden. Geld auf die Hand oder Prozess gegen den eigenen OB mit ungewissem Ergebnis. – Euer Bauchgefühl täuscht euch nicht, und auch ich hab eine gewisse Vorahnung, wie das wohl ausgeht.

Auch wenn das Thema zwischenzeitlich ein wenig aus dem öffentlichen Fokus gerückt sein mag, so ist der BKPV-Prüfbericht samt seiner straf-, disziplinar- und privatrechtlichen Kollateralschäden noch lange nicht abgearbeitet und abgeschlossen im Stadtarchiv für die Nachwelt eingelagert. Fleißig beschäftigt sich die extra eingerichtete sogenannte AG11 bis heute mit den Folgen jahrelanger – sagen wir – sehr freiwirtschaftlich-kreativer Prämienbonimodalitäten der inzwischen in Teilen vorbestraften Bamberger Rathausoberschicht. Die Frage aller Fragen, die es nach strafrechtlicher Aufarbeitung natürlich vor allem noch zu beantworten galt: Von wem können wir uns welches veruntreute Geld zurückholen?

Nachdem die allermeisten der gut bezahlten Rathausmitarbeiter irgendwie gar nicht so richtig viel Lust hatten, die Prämien, Bonis und Überstundenpauschalen, die sie zu viel überwiesen bekommen hatten, erhobenen Hauptes zurückzuzahlen, setzt die Stadt nun Rechtsmittel ein, um es den Zahlungsempfängern ggf. von einem Richter erklären zu lassen. Dieses Ding mit der eigenen Rechtsauffassung zieht sich im Rathaus halt durch alle Ebenen… Was will man dann anderes machen?

Wenn also alles gut geht, spült es dem vorbestraften Stadtkämmerer eine nette sechsstellige Summe in die Kasse zurück. Das Bamberger Paradoxon.

Es gibt aber auch Fälle, bei denen sich sogar die besten Juristen in der AG11 schwer tun, das Geld zurückzufordern. Oftmals bei Zahlungen an Tarifangestellte, weil es zwischenzeitlich verjährt ist oder weil echt – also ganz echt – kein Geld mehr zu holen ist. In solch einem Fall darf man sich als Stadt auch gepflegt an die Entscheider wenden, die den Schaden ja richterlich bestätigt verursacht hatten, und dort höflich die Hand aufhalten. Landläufig genannt: „Schadensersatz“ und so.

Nun ist die Stadt Bamberg aber tatsächlich gegen „vermögensschädliche Zahlungen“ an Mitarbeiter versichert. Sogar auch gegen die „vermögensschädliche Zahlungen“, die maximal windig auf kleinem Dienstweg an Lieblingspremiums überwiesen wurden. Als hätte man es vor Jahren geahnt.

Statt aber nun mit dem Geld der Versicherung Prozess gegen die Entscheider, also den OB, zwei Referenten und einen ehemaligen Amtsleiter zu führen, hat die Versicherungskammer Bayern vorgeschlagen, den Schaden, den die vier hohen Maxplatzkönige verursacht haben, einfach zu regulieren: 200.000 Euro auf genau die kommunale Patschehand, die vor Jahren noch Geld aus dem Fenster bzw. Lieblingsmitarbeitern hinterhergeworfen hat, dafür kein teurer, jahrelanger Regressprozess gegen die OB & Co. mit ungewissem Ausgang, keine nochmalige Einarbeitung ins Material aus 239 Aktenordner. Thema abhaken – fertig, so das Angebot des Versicherers der Stadt.

Ich komm zum Punkt: An diesem Donnerstag haben die Stadträte des Personalsenats das Vergnügen, über den weiteren Fortgang zu entscheiden. Regressprozess gegen den OB, den Finanz-, den ehemaligen Personalreferenten und einen ehemaligen Amtsleiter oder „Ach komm, lass uns halt die 200.000 Euro nehmen.“

Auch wenn sich mein persönliches Gerechtigkeitsempfinden beim Gedanken daran auf links stülpt, weil man als Rathauschef offensichtlich Geld veruntreuen und dabei auf Regulierung durch eine Versicherung hoffen kann, ist die Sachlage relativ klar: Rein wirtschaftlich, so rät es auch die AG11, macht der Vorschlag der Versicherungskammer Bayern Sinn. Der gemeine Stadtrat hat auch – zumindest, wenn es ihm gelegen kommt – gewisse Verantwortung für den Umgang mit dem ihm anvertrauten Steuergeld. Ein Regressprozess, bei dem man tatsächlich nicht weiß, wie er finanziell ausgeht, ist einem Stadtrat, der sich nicht mal traut, eine Straße umzubenennen, die nach einem Nazi benannt ist, natürlich zu heikel. Und für unterhaltsam-wedelige Begründungen ist man sich ja auch nicht zu schade:  “Die Strafbefehle hat der OB bezahlt”, “Disziplinarisch steht eine Entscheidung ja noch aus…” und – ganz wichtig – am Ende bleibt es halt doch auch „unner Andi. Dess wär scho ahh a Haufn Geld für na!“

Bei der SPD wird wieder einer rausschießen und frohlocken, dass sich nicht mal die Versicherung sicher war mit Blick auf die Ermittlungsergebnisse. Von der Pressestelle erwarte ich da auch wenig bis gar nix. Und der Anwohner, dem der Anwohnerausweis zwei Zentimeter zu tief hinter die Windschutzscheibe gerutscht ist, so dass das Gültigkeitsdatum nimmer lesbar war, freut sich über den an die Windschutzscheibe getackerten Strafzettel, den er selbstverständlich selbst bezahlen darf. Dafür gibt es auch keine Versicherung. Außer wahrscheinlich, man ist Rathauschef und guter Kunde der Versicherungskammer Bayern.

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